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Wenn aus einem Zimmer ein Zuhause wird

Ein Praxisbericht über gelebte Partizipation, Raumgestaltung und Beziehungsarbeit im Kinderhaus „Marie Juchacz“ Harzgerode

Stell dir vor…

Du bist sechs Jahre alt. Ein neuer Lebensabschnitt steht dir bevor. Du öffnest morgens die Augen und blickst auf die Möbel, die du selbst mit ausgesucht hast. Du weißt, wo jedes Spielzeug liegt. Der Dinosaurierteppich unter deinen Füßen ist genau der, den du dir gewünscht hast und du erinnerst dich: “Wir haben das zusammen gemacht.“

So beginnt der Tag von Ajub.

Ein Raum wird zur Bühne fürs Ankommen

Ajub lebt in unserer Wohngruppe in Harzgerode. In zwei Monaten wird er eingeschult – ein bedeutender Schritt in seinem Leben, der neue Herausforderungen und viel Vorfreude mit sich bringt. Sein bisheriges Zimmer war funktional aber unpersönlich. Die Möbel zu klein, die Farben neutral, der Charakter austauschbar. Kein Ort der Halt gibt oder etwas über den Jungen erzählt, der darin lebt.

Diese Lücke wollten wir gemeinsam füllen – mit einem Raum, der Ajub`s Interessen widerspiegelt und ihm Orientierung, Ruhe und einen echten Platz im Alltag schenkt.

Mitentscheiden, Mit Bauen, Mitgestalten

Von Anfang an war klar: Dieses Zimmer entsteht nicht ohne Ajub. Gemeinsam mit seiner Bezugserzieherin plante er die Umgestaltung – überlegte, verglich, entschied. Dabei war das Budget knapp, doch mit viel Engagement gelang es, passende und bezahlbare Möbel zu finden. Ajub wählte sein Thema schnell: „Dinosaurier“. Sie tauchen nun im Teppich, auf Kissen und in kleinen Details auf. Besonders wichtig war ihm ein eigener Schreibtisch – ein Wunsch, den er erst leise und schüchtern äußerte. Auch ein großer Spiegelschrank durfte nicht fehlen: „Darin kann ich mich ganz sehen.“

Beim Aufbau halfen die Kinder der Wohngruppe mit – je nach Alter und Können. Schrauben wurden rein und wieder rausgedreht, Zapfen hineingehämmert, Bretter getragen und Werkzeug weitergereicht. Mal mit Geduld, mal mit Frust – aber immer mit dem Gefühl: “Das hier entsteht durch uns.“ Ein gemeinsames Tun, das weit über das Handwerkliche hinausging. Es war gelebte Beteiligung, die den Zusammenhalt stärkte und Verantwortung erfahrbar machte.

Renovierung für kleines Geld -  aber mit großer Wirkung

Die Umgestaltung war keine kostspielige Aktion, sondern eine kreative Renovierung mit einfachen Mitteln und viel Herz. Das Ergebnis zeigt: Es braucht nicht viel Geld, sondern gute Ideen und den Willen, Kinder wirklich zu beteiligen.

Entstanden ist ein strukturierter, kindgerechter Raum, der Persönlichkeit ausstrahlt und gleichzeitig Orientierung gibt. Ein Ort zum Spielen Schlafen und Lernen – und vor allem zum Ankommen. Farben, Licht und Ordnung unterstützen die Innere Regulation. Gleichzeitig vermittelt der individuell gestaltete Raum das Gefühl: „Ich bin hier gemeint.“

Ein Ort der Halt gibt

Seitdem Ajub sein neues Zimmer bewohnt, ist spürbar, was sich verändert hat. Er schläft ruhiger, räumt seine Spielsachen eigenständiger auf und zeigt anderen Kindern gern sein neues Zimmer. Dabei führt er durch die Ecken, die ihm besonders wichtig sind – mit einer stillen Freud, die deutlich macht: Hier fühlt sich jemand wirklich angenommen.

Für uns Fachkräfte war dieses Projekt ein lebendiges Beispiel dafür, wieviel Beziehung in einem Raum stecken kann. Es geht nicht nur um Möbel und Farben, sondern darum Kindern einen Ort zu schaffen, an dem sie sich sicher, gesehen und zugehörig fühlen.

Eine Einladung Räume neu zu denken

Dieser Bericht ist keine Bauanleitung, sondern eine Einladung Räume als Ausdruck von Beziehung zu verstehen und Kinder einzubeziehen – nicht nur im Gespräch, sondern im konkreten Tun.

Vielleicht gibt es auch in deiner Einrichtung ein Kinderzimmer, das ein bisschen zu neutral wirkt. Womöglich reicht ein Nachmittag, ein Gespräch, eine Frage:“ Wie willst du wohnen.“

Den manchmal beginnt Entwicklung genau dort – an einem Ort; der sagt: “Hier darfst du wachsen.“

Besonderer Dank an alle fleißigen Kinder, Bezugserzieherin Frau Mohs und alle Mitgestaltenden.

Danny Matthias

Heilpädagoge

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