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“Die Stadt wurde Tag und Nacht bombardiert“

Natalia Filatova berichtet von ihrer Flucht und was sie besonders dankbar macht

Triggerwarnung: Das folgende Interview beinhaltet die Themen Krieg und Flucht. Es ist ein Gespräch zwischen dem Tafelkoordinator der Tafel QuedlinburgIHalberstadtIWernigerode und der geflüchteten Ukrainerin Natalia Filatova, welche sich im Rahmen eines Praktikums bei der Tafel Quedlinburg engagiert. Während des Interviews brach Natalia immer wieder in Tränen aus, so dass wir aus Rücksicht einige Themen verkürzt haben. Sie bestand dennoch drauf, das Interview abzuschließen. Das Interview wurde durch eine Übersetzerin ermöglicht.

Robin Gerloff: Schönen guten Tag, Natalia!
Natalia Filatova: Hallo!

Robin Gerloff: Stell dich doch einmal kurz vor.
Natalia Filatova: Ich bin Natalia Filatova, 50 Jahre alt und komme aus der Stadt Nikopol in der Ukraine.

Robin Gerloff: Kannst du dich noch erinnern, wo du damals warst und was du gemacht hast, als der Krieg in der Ukraine angefangen hat?
Natalia Filatova: Ich war in Nikopol und ich war gerade, wie jeden Morgen, dabei, meinen Enkel zur Schule zu bringen. Es gab eine Benachrichti gung auf dem Smartphone und es kam überall in den Nachrichten.

Robin Gerloff: Wann und wieso hast du dich dazu entschlossen zu flüchten?
Natalia Filatova: Meine Stadt Nikopol wurde erst im Juli unter Beschuss genommen und sollte dann auch eingenommen werden. Dass gelang aber nicht, also wurde die Stadt Tag und Nacht mit bombardiert. Das war dann der Punkt als es zu gefährlich wurde und ich beschlossen habe mit meiner Tochter und meinen zwei Enkelkindern zu flüchten. Meine Mutt er ist in Nikopol geblieben.

Robin Gerloff: Konntet ihr Sie nicht überzeugen mitzukommen?
Natalia Filatova: Nein, Nikopol wird ständig beschossen, aber Sie will nirgendwohin. Sie lebt heute noch da. Meine Tochter und Ich haben versucht, sie zum Gehen zu überreden, aber sie bleibt stur.
Robin Gerloff: Das ist natürlich schwierig für Euch, ständig auch Angst um Sie zu haben.
…Natalia reagiert sehr emotional …


Robin Gerloff: Darf ich dich als nächstes Fragen, wie ihr geflüchtet seid?


Natalia Filatova: Zunächst fuhren wir mit dem Auto bis nach Dnjepr, von dort aus sind wir dann mit dem Zug nach Lemberg gefahren und dann ging es mit einem Bus nach Deutschland. Der Weg war sehr schwer, die Busse und Züge waren überfüllt und die Kinder sind noch sehr klein gewesen, der Jüngste war ein halbes Jahr und der
Älteste sieben Jahre alt. Es war sehr anstrengend, aber als wir in Deutschland waren, waren wir erleichtert.


Robin Gerloff: Wie bist du denn nach Quedlinburg gekommen?
Natalia Filatova: Ein Freund meiner Tochter war bereits in Wernigerode als wir hier ankamen. In die Nähe wollten wir dann auch. Wir lebten dann von Juli bis August in einem Heim in Rübeland. Dann bekamen meine Tochter und ich jeweils eine Unterkunft . Meine Tochter in Halberstadt und ich in Quedlinburg.

Robin Gerloff: Wie findest du deine Unterkunft in Quedlinburg jetzt.
Natalia Filatova: Ich bin Deutschland und auch Quedlinburg sehr dankbar, dass ich hier überhaupt Wohnraum bekommen habe; auch das wir hier Sozialleistungen bekommen können und uns Hilfe bei der Tafel holen können. Ich fühle mich in Quedlinburg sehr sicher und dafür bin ich am meisten dankbar!


Robin Gerloff: Welche Schwierigkeiten hast du bis jetzt in Deutschland erlebt?
Natalia Filatova: Die größte Schwierigkeit liegt in meinen geringen Sprachkenntnissen. Deutsch fällt mir sehr schwer zu lernen, obwohl ich es wirklich versuche. Dadurch wird dann alles andere auch schwieriger.


Robin Gerloff: Gibt es positive Dinge die du hier in Deutschland erlebt hast?
Natalia Filatova: Ich hatt e ja vorhin schon gesagt, dass ich mich hier sehr sicher fühle. Ansonsten gefällt mir Quedlinburg sehr, ich mag es, hier zu spazieren und mir
alles anzugucken.


Robin Gerloff: Was hat sich für dich seit deiner Ankunft hier verändert?
Natalia Filatova: Ich habe angefangen, die deutschen Sitten und Gebräuche zu verstehen. Pünktlichkeit und Termine sind hier sehr wichti g. Vielen Deutschen ist auch Traditi on und Kultur sehr wichtig. Das versteht man jetzt viel besser, wenn man hier lebt.

Robin Gerloff: Was machst du momentan in Quedlinburg?
Natalia Filatova: Seit dem Oktober besuche ich die Oskar Kämmer Schule, die uns hilft , das Leben, die Sprache und die Traditi onen hier zu verstehen und zu lernen. Seit März mache ich in diesem Rahmen auch das Praktikum bei euch in der Tafel. Hier helfe ich momentan in der Lebensmittelausgabe. Dort sortiere ich die Lebensmittel und packe sie dann in die Beutel der Leute, die Hilfe benötigen.


Robin Gerloff: Wie sieht deine Zukunft aus? Möchtest du irgendwann zurück in die Ukraine?
Natalia Filatova: Ich möchte wirklich, dass die Ukraine die russischen Besetzer so schnell wie möglich besiegt, damit der lang ersehnte Frieden in der Ukraine so schnell wie möglich einkehrt und wir nachhause zurückkehren können. Meine Tochter und meine Enkel – wir wollen alle unbedingt nachhause!

Robin Gerloff: Vielen Dank Natalia! Möchtest du sonst noch etwas sagen?
Natalia Filatova: Ich danke Deutschland und insbesondere auch der Tafel für die Hilfe, die sie für die ukrainischen Geflüchteten leisten!


Das Interview führte Robin Gerloff, Koordinator der Tafeln
QuedlinburgIHalberstadtIWernigerode.

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