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Frustration und Aggression

Wie es zu aggressivem Verhalten bei Kindern kommt und wie wir dem begegnen

Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten stellen für uns als Kita-Team immer wieder eine besondere Herausforderung dar. Besonders wichtig ist es, zu verstehen, wie es zu solchen Verhaltensauffälligkeiten bzw. aggressivem Verhalten kommt.

Aggressionen sind zunächst einmal eine Folge von Frustration. Frustration entsteht zum Beispiel durch Nichterfüllung von Wünschen bzw. die Täuschung einer Erwartung, welche meist mit einem aufgezwungenen Verzicht einhergeht.

„Formulierungen wie beispielsweise „jemanden enttäuschen“, „jemanden im Stich lassen“, „einem anderen Schmerz bereiten“, „jemanden an einer Handlung hindern“ oder „jemandem einen Wunsch versagen“ haben sämtlich die Frustration einer Person durch die andere zum Inhalt.“ (Quelle: Frustration und Aggression; Dollard & Doob & Miller & Mowrer & Sears, Beltz, 1972)

Die Ursachen für Frustration und dem daraus resultierenden aggressivem Verhalten können sehr vielfältig sein. Frustration können zum Beispiel aus dem Kita-Alltag resultieren. Das kann der Fall sein, wenn das Kind beispielsweise ständig sein Spiel unterbrechen muss oder es zu wenig positive Aufmerksamkeit von den Erzieher*innen bekommt. Mögliche Ursache für Frustration ist aber auch Stress mit anderen Kindern, Überforderung, mangelnde Erfolgserlebnisse oder wenn es sich missverstanden fühlt.

Auch das häusliche Umfeld kann – beispielsweise, wenn das Kind zu wenig Zuwendung von den Eltern bekommt, es in seinen Rechten eingeschränkt oder ungerecht behandelt oder unter Druck gesetzt wird – zu Frustration führen. Das Kind ist frustriert und verhält sich aggressiv gegen Gegenstände, indem es diese mutwillig beschädigt oder direkt gegen die Person gerichtet, welche für die Frustration verantwortlich ist, gegen neutrale und unbeteiligte Personen verbal oder körperlich oder auch gegen sich selbst gerichtet, selbstverletzend bis hin zum Suizid. Auch negative Gedanken und Fantasien sind eine Form von Aggression. Die Frustration muss nicht zwangsläufig sofort zu Aggression führen. Frustration kann sich über einen längeren Zeitraum anstauen und erst später aggressives Verhalten zur Folge haben.

Wir sprechen dann von zeitlich verschobener Aggression. Durch Krankheiten, seelische Störungen und Entwicklungsstörungen, kann die Neigung zu aggressivem Verhalten noch zusätzlich begünstigt werden. Wir als Zeugen solch aggressiven Verhaltens können dann nur schwer die Ursache hierfür verstehen, sind jedoch gefordert, Aggression im Gruppengeschehen zu vermeiden bzw. zu unterbinden, um Gefährdungen für das verhaltensauffällige Kind selbst, für alle anderen Kinder der Einrichtung und für sich selbst als pädagogische Fachkraft zu minimieren.

Als pädagogische Fachkräfte bieten sich uns verschiedene Möglichkeiten, aggressiven Verhaltensweisen zu begegnen.

Das erste Mittel ist die Intervention. Das Verhalten muss angesprochen und unterbunden werden. Die Konsequenzen für das unerwünschte Verhalten sind klar und unmissverständlich zu benennen. Nicht immer führt dies zum Erfolg, die Frustration des Kindes wird unter Umständen stärker und somit steigert sich auch das aggressive Verhalten. Die zu erwartenden Konsequenzen bleiben vorerst wirkungslos. Das gesamte Umfeld leidet unter der Situation.

Manchmal kann es hilfreich sein, das Verhalten des Kindes zu spiegeln, sofern es sich nicht um aggressives Verhalten handelt. Diese Methode wirkt deeskalierend, sofern sie für die jeweilige Situation geeignet ist. Eine dritte Möglichkeit ist die paradoxe Intervention. Ich reagiere auf das aggressive Verhalten so, wie es das betreffende Kind nicht erwarten würde. Ein weiteres Mittel ist das Ignorieren des Verhaltens, (Ich verhalte mich so, als hätte ich das Wort jetzt gerade nicht gehört).

Als sehr effektiv erweist es sich meist, die Aggressionen umzulenken. Ich biete dem Kind zum Beispiel einen Sandsack an, an dem es sich abreagieren kann. Es kann auch ein sogenannter Wutball sein. Oder ich biete dem Kind eine Rückzugsmöglichkeit. Oft hilft es auch, dem Kind eine Alternative zur versagten Wunscherfüllung anzubieten. Die Stärke der Frustration sinkt, und somit auch die Intensität der Aggression.

Bei all den Maßnahmen, die Aggressionen der Kinder zu unterbinden, ist es wichtig, das Wohl aller anderen Kinder in der Gruppe, das Wohl des verhaltensauffälligen Kindes selbst und das eigene Wohl nicht aus den Augen zu verlieren. Bestrafung ist in der Pädagogik kein geeignetes Mittel. Es mag durchaus möglich sein, dass die bloße Androhung von Strafe abschreckend wirkt. Jedoch steht Bestrafung kaum in konkretem Bezug zur begangenen Handlung, und führt zu weiteren Frustrationen, welche neue Aggressionen verursachen können. Gibt es in der Einrichtung ein oder mehrere Kinder mit ausgeprägten Verhaltens -auffälligkeiten, ist ein ständiger kollegialer Austausch und eine zielorientierte Elternarbeit unabdingbar.

Frustrationen begleiten uns das ganze Leben lang und sind auch ein wichtiger Bestandteil unserer Entwicklung. Ein gewisses Maß an Frustrationen ist wohl wichtig, damit die Kinder lernen, Strategien zu entwickeln, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Es ist jedoch sinnvoll, im Rahmen der Vorbeugung das Maß der Frustrationen für alle Akteure im Kita – Alltag deutlich zu reduzieren. So haben wir in der Kita „Bienchen“ in Drohndorf zum Beispiel die Gruppenbereiche neugestaltet. Es gibt jetzt wesentlich mehr Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder, und deutlich mehr Spiel- bzw. Lernmöglichkeiten. Die Spielangebote werden ständig am Bedarf der Kinder angepasst. Die Kinder werden an allen Prozessen des Kita-Alltags beteiligt. Regeln werden mit den Kindern gemeinsam ausgehandelt. Ausgrenzung findet nicht statt.

Im täglichen Morgenkreis und im Rahmen der Gruppengespräche haben die Kinder die Möglichkeiten, ihre Zeit im Kindergarten zu reflektieren, und Wünsche für die folgenden Tage zu benennen. Die Kinder sind mit den Möglichkeiten, sich bei Bedarf zu beschweren, vertraut. Und die Erzieherinnen haben für die Belange aller Kinder stets ein offenes Ohr.

Steffen Brunkau, Einrichtungsleiter AWO Kindertagesstätte „Bienchen“ Drohndorf

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