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Was passiert im Verbraucherinsolvenzverfahren?

Wenn das Geld nicht mehr reicht, um alle Verbindlichkeiten zu bezahlen

Katja Müller hat Bauchschmerzen, wenn sie den Briefkasten leeren muss. Schon seit Wochen erreichen sie gelbe Briefe vom Gericht. Die Versandhausschulden und die neue Küche, die sie in überschaubaren Raten abzahlen wollte, lassen sie kaum noch ruhig schlafen. Und sie hat es doch insgesamt schon schwer genug. Seit fünf Monaten ist sie wegen ihres schmerzenden Rückens krankgeschrieben – Bandscheibenvorfall. Dabei arbeitet sie so gern als Pflegehilfskraft. Die Bewohner*innen vermissen sie. Die Ärzte sagen, sie wird auch die nächsten Monate nicht arbeiten können. Wer weiß, ob sie überhaupt in ihren Beruf zurückkehren kann. Das Geld reicht aber jetzt schon hinten und vorne nicht mehr.

Mit Mahnungen wegen nicht bezahlter Verpflichtungen fing es an. Katja vereinbarte kleinere Raten, die sie aber bereits nach zwei Monaten nicht mehr einhalten konnte. Das Krankengeld reicht einfach nicht und die Miete will ja auch bezahlt werden. Da fing es an. Mahn- und Vollstreckungsbescheide kamen ins Haus, dann wurde ihr Girokonto gepfändet. Nun will auch noch der Gerichtsvollzieher kommen. Wie konnte das so schnell passieren?

Katja vertraut sich einer Freundin an, die ihr den Tipp gibt, sich an die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des AWO Kreisverband Harz e.V. zu wenden. Nach einiger Überwindung vereinbart sie einen Termin.

In diesem ersten Gespräch sichten die Berater*innen die mitgebrachten und sortierten Unterlagen der Klientin. Sie verschaffen sich einen Überblick über die Situation und ordnen die Schulden in verschiedene Kategorien ein. Beispielsweise sind Versandhausschulden anders zu bewerten als Mietrückstände oder offene Unterhaltszahlungen. Außerdem werden die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beleuchtet. Gibt es Besonderheiten, die zu beachten sind? Dazu zählen Kraftfahrzeuge, Immobilien und vermögensbildende Versicherungen.

Die Beraterin bestätigt, was Katja selbst befürchtet hat. Finanziell gibt es keinen Spielraum, um die Ratenzahlungen wie vereinbart zahlen zu können. Das Geld reicht tatsächlich nur zum Bestreiten der lebensnotwendigen Ausgaben wie Miete, Strom und die sonstigen Fixkosten.

Als einziger Ausweg bleibt die Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung. Dies bedeutet, dass die vorhandenen Schulden nach dem Ablauf von derzeit drei Jahren nicht mehr weiterbezahlt werden müssen. Die Gläubiger, sprich diejenigen denen Geld geschuldet wird, dürfen die Schulden nicht mehr eintreiben durch Inkassounternehmen oder gerichtliche Beschlüsse.

Dem Antrag auf Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens geht zunächst eine Vorarbeit der Berater*innen voraus. Dies kann einige Wochen oder auch bis zu sechs Monate dauern. Die Zeitspanne hängt unter anderem von der Art der Schulden und von der Rückmeldung der Gläubiger ab. Ein wichtiger Faktor dabei ist auch, inwieweit der/die Klient*in selbst einen Überblick über die Schuldensituation hat.


Sind die Unterlagen vollständig und aktuell? Oder besteht das Problem schon länger und es gibt Gläubiger, an die sich der Schuldner schon nicht mehr erinnert? In einem solchen Fall ist es ratsam, eine Auskunft bei der SCHUFA einzuholen. Zwischenzeitlich tauschen sich Katja Müller und die Beratungsstelle immer wieder über den aktuellen Stand aus. Die Klientin übermittelt Mahnschreiben und andere die Schulden betreffende Post an die Beratungsstelle.

Privatinsolvenz bedeutet die komplette Zahlungsunfähigkeit für alle Verbindlichkeiten und Kredite. Für das Insolvenzverfahren ist es absolut wichtig, alle Schulden nach bestem Wissen und Gewissen zu benennen. Alle Gläubiger müssen zudem gleichbehandelt und niemand darf bevorzugt oder ausgelassen werden. Das betrifft vor allem aktuell vereinbarte Ratenzahlungen, zum Beispiel auch eine laufende und funktionierende Finanzierung für ein Auto.

Am Ende der Beratung von Katja Müller steht der Antrag auf Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens. Dieser wird gemeinsam mit der Beratungsstelle ausgefüllt und an das zuständige Insolvenzgericht geschickt. Drei Wochen nach Antragsstellung wird das Insolvenzverfahren von Katja Müller vor Gericht eröffnet. Ihre Anwesenheit ist dabei nicht notwendig. Sie wird per Brief über die Verfahrenseröffnung informiert und in diesem Schreiben wird auch der für Katja Müller zuständige Insolvenzverwalter benannt.

In den nächsten drei Jahren sichtet dieser regelmäßig die Einkommens- und Vermögenssituation des Schuldners und prüft, ob Einkommensteile pfändbar sind und zur anteiligen Tilgung der Schulden genutzt werden können. Katja ist verpflichtet, entsprechende Unterlagen wie Kontoauszüge und Einkommensnachweise vorzulegen und den Insolvenzverwalter über Veränderungen in ihrem Leben, wie Arbeitgeberwechsel, Umzug oder Änderung des Familienstands, zu informieren.

Nach Ablauf der drei Jahre schließt sich die einjährige sogenannte „Wohlverhaltensphase“ an. In dieser bleiben die Verpflichtungen gegenüber dem Insolvenzverwalter bestehen. Der Schuldner darf zudem keine neuen Schulden aufnehmen, andernfalls ist die Restschuldbefreiung in Gefahr.

Die Beratung durch die Beratungsstelle des AWO Kreisverband Harz e.V. ist für die Klienten kostenfrei. Im Verfahren entstehen Kosten des Gerichts und es Insolvenzverwalters. Diese belaufen sich derzeit auch 2.000 bis 3.000 Euro. Ob diese vom Klienten zu tragen sind, prüft das Gericht.

AWO Schuldner- und Insolvenzberatung

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